Patrick Jauk, Betriebsratsvorsitzender der Lebenshilfe
Patrick Jauk, Betriebsratsvorsitzender der Lebenshilfe © Temel, AK Stmk
6.10.2021

"Wenig Verständnis, was eine Pandemie ist"

Klare Strukturen für den Tag sind gerade bei der Betreuung von Behinderten wichtig. Ein Betriebsratsvorsitzender berichtet, wie auf die Corona-Schließungen von Tageszentren und Werkstätten mit viel Improvisation reagiert wurde.

Aufbau neuer Strukturen

Von einem Tag auf den anderen wurden beim ersten Lockdown im Frühjahr vor einem Jahr Tageszentren und Werkstätten geschlossen, erinnert sich Patrick Jauk. Er ist Betriebsratsvorsitzender bei der Lebenshilfe Soziale Dienste GmbH, die in Graz, Graz-Umgebung, Voitsberg und Deutschlandsberg mit 1.200 Beschäftigten in 40 Projekten 3.000 Menschen im Behinderten- und Sozialbereich betreuen. Die Beschäftigten aus der Tagesbetreuung wurden auf die Wohnbereiche verteilt. "Da war eine Welle der Solidarität als mit viel Improvisation in kurzer Zeit neue Tagesstrukturen aufgebaut wurden", sagt Jauk. 

Schwer verständlich

Trotz des Engagements war es für die Kundinnen und Kunden der Lebenshilfe schwer zu fassen, was da passiert: "Es gab wenig Verständnis, was eine Pandemie ist und warum jetzt Abstand und Maske so wichtig sind." Auch untereinander sollten die Behinderten auf Distanz achten, und so mussten etwa die beliebten großen Karten-Spielrunden abgesagt werden. Als Unterhaltung blieb während der monatelangen Schließung während und nach dem ersten Lockdown nur Spazierengehen und persönliche Betreuung. Mit Kundinnen und Kunden, die eigenständig oder bei den Eltern wohnen, wurde versucht telefonisch Kontakt zu halten. "Es wurde auch extra ein Tratschofon eingerichtet, wenn jemand dringenden Bedarf nach Austausch hatte", sagt Jauk.

Keine Mimik mit der Maske

Wie im Pflegebereich war die starke Einschränkung von Besuchen eine Herausforderung. "Nicht alle haben das eingesehen." Ein Problem für viele sei die Maske, sagt Jauk: "Gerade nonverbale Menschen sind zur Kommunikation auf die Mimik angewiesen." Inzwischen ist etwas Normalität eingekehrt, bis auf die Innenbereiche müssen keine Masken mehr getragen werden.

Viele neue Erfahrungen

Zur neuen Normalität gehört der Abstand beim Arbeiten, und das werde noch länger bleiben, vermutet der Betriebsratsvorsitzende. Körperlichkeit und das Spüren der eigenen Grenzen sind für viele Behinderte ein Bedürfnis und auch Teil der Kommunikation. Bleiben werde auch ein höheres Level bei der Hygiene. Das Händewaschen ist gekommen um zu bleiben. Die oftmalige Oberflächendesinfektion hat allerdings den Nachteil, dass sich "die Lackierungen der Möbel ablösen". Insgesamt haben sowohl die Beschäftigten als auch die Geschäftsführung und die Kundinnen und Kunden einen großen Lernprozess durchgemacht: "Dieses Wissen und diese Erfahrung bleibt."

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